3. Adventswoche
Verbunden in der Stille, 3. Advent, 2021
Das Wagnis der Verwundbarkeit
In ihrem Buch «Weihnachten, Das Wagnis der Verwundbarkeit» (Patmos 2017), schaut Hildegund Keul entlang der synoptischen Weihnachtsberichte, wie Menschen mit ihrer eigenen und mit der Verletzlichkeit anderer umgehen: setzen sie auf Selbstschutz oder wagen sie Hingabe?
Mensch werden hat mit Verletzlichkeit zu tun. Ein Neugeborenes ist seinem Umfeld ausgeliefert, auf Versorgung und Liebe angewiesen. Unzählige sterben, weil das Lebensnotwendige nicht zur Verfügung steht und jene wegschauen, die etwas ändern müssten. Viele leiden seelisch Schaden, weil sie nicht erwünscht und nicht geliebt werden. Andere sterben schon klein aufgrund von Gewalt.
Die Weihnachtsgeschichten spiegeln unsere Welt:
Da sind Herbergsleute, «guilty bystander» (Thomas Merton), die darin schuldig werden, dass sie wegschauen, um ihre eigenen Ressourcen zu schützen. Da sind Schriftgelehrte, die wüssten, was zu tun ist, aber nicht handeln. Und da ist die Herodes-Strategie, die zur Machterhaltung gezielt auf Verwundung und Tötung aus ist.
Gleichzeitig ist da ein Paar mit einem Neugeborenen, arm und am Rande der Stadt. Ihnen ist verheissen, den Erlöser selbst in den Armen zu tragen. Da sind Hirten, Aussenseiter, die ihren Herden draussen bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit Schutz gewähren müssen und dabei Leib und Leben aufs Spiel setzen. Sie erhalten die besondere Einladung und den Zuspruch des Himmels angesichts der Geburt des göttlichen Kindes. Und da sind Sterndeuter (»Könige»). Sie riskieren ihr Ansehen, um einem Kind in einer Tierkrippe zu huldigen; sie geben ihre königlichen Geschenke hin. Die Menschen an der Krippe erfahren und verstehen, dass Gott mitten in die menschliche Armut hineingeht. Dass die Hingabe an das Schwache, diesem Stärke und Ansehen verleiht und dass diese Hingabe das Leben nicht ärmer, sondern erfüllter macht.
Bei den Menschen der Weihnachtsgeschichte spiegelt sich, was Gott in seiner Menschwerdung tut: Mensch werden heisst Hingabe wagen. Gott macht sich verwundbar. Im Kind in der Krippe ist das Göttliche verletzlich und der Welt ausgeliefert, umgeben von Verwundbarkeit, angewiesen auf Hingabe, bis zum Tod. Im vordergründigen Scheitern gelingt das Wagnis. Denn an Weihnachten wie auch an Ostern zeigt sich das Heil: Gott verbindet sich in innigster Weise mit der Verwundbarkeit des Menschen, vom Anfang bis zum Ende. Sie besteht in der Liebe, die zur Hingabe an das Aufgegebene bereit ist und die eigene Verwundung nicht scheut.
Claudia Nothelfer, Kontemplationslehrerin vi
Zu diesen Zeiten sind Menschen in der Stille:
7°°-8°°
11.30-12°°
17.30-18°°
19°°-20°°
Herzlich mit Euch verbunden wünschen wir Euch eine gesegnete Woche
Claudia Nothelfer, Erich Schlumpf, Margrit Wenk-Schlegel