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Woche 46

Verbunden in der Stille, Woche 46, November 2020     www.viaintegralis.ch
 
  
Erden und lieben
 
In seiner Enzyklika „Laudato si“ aus dem Jahr 2015 spricht Papst Franziskus vom Eigenwert der Geschöpfe. Er sagt, wir Menschen hätten den despotischen Anthropozentrismus zu überwinden, der davon ausgeht, dass die Erde dem Menschen zu dienen habe. Der Perspektivenwechsel lautet: die Erde steht nicht einfach zur freien Verfügung, alles Leben auf der Erde hat einen Eigenwert und eine Würde. Der Mensch, will er im christlichen Sinn „Krone“ sein, hat zu dienen. In der Enzyklika heißt es darum nicht: „Macht euch die Erde untertan“, sondern: „Macht euch der Erde untertan.“
 
Ob ökologischer Fussabdruck, Artenvielfalt, Tier- oder Klimaschutz, diese Fragen empfinde ich zentral in einer, im wahrsten Sinne des Wortes, geerdeten Spiritualität. Wenn ich mich erde, so ist das mehr, als dass ich mir Wurzeln vorstelle, die von den Füssen in die Erde reichen. Es meint auch eine dankbare Hinwendung zur Erde, eine wertschätzende Hinwendung zu den Menschen und eine liebevolle Hinwendung zu den Tieren. Eine geerdete Spiritualität meint, dem Leben urteilsfrei nah zu sein, sich mit allem verbunden zu wissen und den schöpferischen Urgrund durchleuchten zu sehen. Und, aus einer Haltung der Achtsamkeit zu leben, die überall das Wunder des Lebens entdeckt und es aus einem „natürlichen“ inneren Impuls heraus schützen und bewahren will. Albert Einstein soll gesagt haben: „Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.“
 
Ich glaube, dass aus der Haltung der Achtsamkeit und des Staunens über die Wunder die Liebe zum Lebendigen erwächst. Ist es nicht der sorgsame Blick, das gerührte Hinhören, die zarte Berührung, das einfühlsame Wahrnehmen und das ehrfürchtige Staunen, was unser Herz öffnet? „Wenn du beispielsweise deinem Hund in die Augen blickst, dann glaube ich wirklich, dass du da auch eine Inkarnation der Heiligen Gegenwart anschaust.“ schreibt Richard Rohr in: Alles trägt den einen Namen.
Ähnlich kann es uns gehen im Augenkontakt mit den Kühen auf der Weide, beim Betrachten des Vogelzugs am Himmel, im Bearbeiten der Erde im Garten oder beim Beobachten des Igels, der durchs Gras wandert. Die „Inkarnation der Heiligen Gegenwart“ ist in allen Wesen. Alle tragen den Fingerabdruck Gottes, sagt Ernesto Cardenal. Wir sind die Spezies, die das mit dem Bewusstsein erfassen kann. Die Natur, die Tiere, „wissen“ es einfach, da sie im Einklang sind und sich so wunderbar fraglos in der Einheit bewegen, in die wir Menschen immer wieder neu hineinfinden müssen.
 
Der Erde gilt meine Liebe, mein Respekt. Der Erde mit all ihren lebendigen Wesen. Das nehme ich hinein in meine stille Zeit.
 
Claudia Nothelfer, Kontemplationslehrerin vi 


 
 

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