Samstag, 9. Mai 2020
Verbunden in der Stille, Samstag 09.05.2020
Tief berührt von diesem perönlichen Zeugnis von Claudia, schicke ich Euch diesen Text als ein ganz besonderes Geschenk Margrit Wenk
Leben ist Geschenk
Dankbar und besinnlich schaue ich heute zurück. Die Zeit ist reif, eine besondere Erfahrung zu teilen:
Es war heute vor 30 Jahren, als ich aus einer mehrstündigen Operation erwachte und sofort spürte: ich bin geheilt. Ringsum piepsten Apparaturen, blendendes Neonlicht über mir, überall Schläuche, am Bettende eine junge Frau, die sich mit «Hallo, ich bin Schwester Rahel und heute für Sie zuständig» vorstellte. ‘Ich habe keine Kopfschmerzen mehr’, jubelte es in mir, ‘mir ist nicht mehr übel!’ Dann sank ich wieder weg.
Als ich später wiederum erwachte, hatte ich Hunger und Durst, sogar Appetit - ein neu erwachtes Empfinden! ‘Talita kum’ sprach es in mir, ‘Mädchen, steh auf’! Und: ‘Gebt ihr zu essen!’ Ich fühlte mich mitten in der biblischen Erzählung von der Erweckung eines Mädchens, ich war gewissermassen zu diesem Mädchen geworden. Und sie gaben mir zu essen im Bett auf der sterilen Intensivstation.
Zwar wusste ich, dass das Leben unverfügbar und ein Geschenk ist. Nun erfuhr ich es.
Meine Nieren hatten ihre Funktion eingestellt. Mein junger Körper war in rasende Verzweiflung geraten. Ich spürte, dass ich mein Leben nicht mehr halten konnte, dass ich aus eigener Kraft nicht mehr weiterleben konnte. Meine Patin gab mir ein Bild: ‘Lass dich in ein grosses weiches Kissen fallen, das Gott in seinen Armen hält.’ Ich liess mich fallen, liess das krampfhafte Festhalten ans Leben los.
Keine Aussicht
aussichtslos hat man zu gehen
umkehren geht nicht
das Leben liegt
immer vorne.
(Silja Walter)
Der körperliche Zustand blieb elend, aber der innere veränderte sich. In mir war ein Ja geboren zu allem, was jetzt geschehen möge, ob Tod oder Leben. Dann kam die Wende. Spontan und unerwartet schenkte mir ein Familienmitglied eine eigene Niere. Das war viel mehr als ein Organ, es war neues Leben; ermöglicht durch dieses unbeschreibliche Geschenk und eine höhere Macht, die dies gelingen liess und mein Leben noch immer hält und erhält.
Meine Erfahrung ist: Wir leben nicht aus uns selbst. Leben ist Geschenk.
Heute sitze ich für alle Menschen in den Krankenbetten, die auf Erlösung von ihren Schmerzen und auf Heilung hoffen. Dankbar stelle ich ein Sträusslein aus Wiesenblumen zur geschnitzten Maria, Sinnbild der kosmischen Mutter der Barmherzigkeit und des Mitgefühls.
Claudia Nothelfer, Kontemplationslehrerin vi